Von Sara Thiel
Im ersten Augenblick könnte man meinen, einen verquer spielenden Kaffeehausgeiger vor sich
zu haben. Beim zweiten Hinhören merken die ersten auf, und schließlich beginnen
einige, andeutungsweise zu tanzen. Robin McKidd ist kein Geiger im herkömmlichen Sinne,
sondern ein Fiddler, der sich erfrischenderweise über musiktheoretische Grundlagen weniger
Gedanken macht als über Hopfen und Malz.
Warum auch soll sich jemand den Kopf zerbrechen, wenn er Cajun spielt. Musik, die in die Beine
geht, die nach New Orleans riecht und die schmeckt wie frischer Catfish. Und auch Chris Jaggers
Kopf bleibt ganz. Er singt mit geschlossenen Augen, manchmal einen Hauch daneben und immer
richtig. Der jüngere Bruder von Mick Jagger hat sich eine Karriere jenseits der neugierigen
Scheinwerfer aufgebaut. Mit seiner Band Atcha Acoustic tourt er seit Jahren durch die Welt - und
am Samstag hat ihn sein Weg gar ins erzgebirgische Zwönitz geführt. Sein Konzert dort
auf dem Speicher war der erste Versuch des noch jungen Vereins Live-Music Affalter, und 350
Besucher werteten selbigen als gelungen.
Atcha Acoustic, das ist neben dem Fiddler McKidd noch Ben Waters, der Leib- und Hauspianist der
Familie J. Der 26jährige wurde mit der Welle junger Bluesmusiker hochgespillt, die seit einigen
Jahren über die Szene schwappt. Und so, wie der hochgelobte Mann spielt, bleibt er auf dem
Land zurück, wenn andere schon wieder in den Tiefen des Vergessens verschwunden sind. Der
junge Tastenteufel kommt ganz unüberhörbar aus dem Blues, und er reibt dem Cajun seine
eigene Note ran, treibt die Musik voran, gibt ihr mit vollem Körpereinsatz einen Rhythmus -
während der Schotte McKidd dagegen anfiedelt, unbeschwert und leicht lächelnd. Das
verwirrt die wenigen Tänzer, denn Piano und Geige liefern sich Duelle, die einen manchmal
aus dem Takt geraten lassen. Der Gesang aber hält das Ganze zusammen. Selbst schuld, wer
hier bierernst bleiben möchte. Die Bierseligen, die Entkrampften haben mehr vom Abend.
Chris Jagger setzt den Gästen eine eigenwillige Mischung vor. So klingt "Iko, Iko"
noch ein bißchen nach Swamp, etwas nach Mississippi und irgendwie nach Kneipe, wenn sie
alle durcheinander singen. Die Musik ist hauptsächlich fröhlich, und wenn mal ein
reiner Blues mit durch die Boxen flutscht, dann wird alles Traurige vorher rausgefiltert. Ray
Charles' "Let's go get stoned" hat so gar nichts Wehmütiges mehr an sich -
wieso auch - und "Please don't leave me baby, please don't go" zwingen die drei gleich
zu Anfang ihres Programmes in Tanzschuhe.
Durch Zwönitz fließt nicht der Mississippi. Aber diese Kleinigkeit könnte man
fast vergessen, wenn einem nicht die mitternächtliche Kälte ins Gesicht schlagen
würde, nachdem man stundenlang in der Hitze der Nacht gefeiert hat.
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