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Von Lars Rosenkranz
SCHNEEBERG. Gegen die göttliche Regel, daß vorm Erfolg der Schweiß fließen muß, sind auch
Hexen und Furien machtlos. So blieb ihnen, die sich am Freitag abend in Scharen versammelt
hatten, um das große Fegefeuer zu bejubeln, keine andere Wahl, als die Besen zu starten und
zum großen Walpurgisflug über den Gleesberg auszuschwärmen. Vorher nämlich blieb die Macht
der Flammen gezügelt - nur ein kleiner Scheiterhaufen brannte zaghaft im Schatten des großen,
den man auf dem Hang unter der Gleesbergstraße aufgeschichtet hatte und der erst mit Beginn
der Nacht seinen grandiosen Glutschein bis hinüber zu Sankt Wolfgang schicken sollte.
Das Lager rings ums geplante Feuer bestand ferner aus einem Bierzelt, einem Rosterstand,
einer Losbude, einem Kinderkarussell und einer Bühne. Drumherum verliefen Zaunsfelder - das
Areal war abgesperrt. Wer hinein wollte, der mußte zunächst seinen Obolus in Höhe von fünf
Mark entrichten.
Die Walpurgisfete in Neustädtel verlief etwas anders als die Hexenfeier in den Orten ringsum.
War nämlich nichts mit Fackelzug und brandroter Feuerwehrperade. Statt dessen erspähte man
schwarzgekleidete Sicherheitsposten, die meisten davon infolge Muskeltrainings doppelt
mannsbreit und mit martialischem Gesichtsausdruck - für den Fall der Fälle...
Hand anlegen mußten die Jungs glücklicherweise nirgendwo, nur so mancher der Besucher wurde
am Einlaß einer Leibes- und Gepäckvisitation unterzogen. Auch das unterschied die Veranstaltung
von den anderen Festen: Getränke und feuergefährliche Sachen mußten diesmal draußen bleiben.
Sie waren auch unnötig. Denn den Durst löschen konnte man im Bierzelt, und eingeheizt wurde
mit hereinbrechender Dunkelheit auch von zwei Seiten, wenn man so will: Einmal loderten ab
21.30 die Flammen am Holzstapel empor, zum anderen stießen die Ska-Musiker der Halberstädter
Band "Tschiggedab" fast zur gleichen Zeit ins Horn, will heißen: ins Saxophon und in die
Trompete.
Die Anhaltiner lösten zwei Studenten der "Angewandten Kunst" Schneeberg ab, die sich bis
dahin als Alleinunterhalter um die vielen kleinen Hexen gekümmert hatten und mit zahlreichen
Besenritten die Erwachsenenwelt durcheinanderwirbelten.
Zu vorgerückter Stunde wurde dann schließlich noch Elvis Presley reanimiert, der die Glut der
Walpurgisnacht mit rockigen Fetzern bis zum Ende schürte.
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